Ende letzten Jahres kündigte Canon bereits eine neue Variante der erst kurz vorher erschienenen Festbrennweite Canon RF 85mm f/1,2L USM für das EOS R System an. Die neue Version hört auf den gleichen Namen und unterscheidet sich lediglich durch den unscheinbaren Zusatz “DS”.
Was es mit diesen beiden Buchstaben im Detail auf sich hat und warum beide Versionen höchst interessant sind, klären wir im folgenden Artikel. So viel sei bereits verraten: Mit dem Canon RF 85mm f/1.2L USM bekommt ihr endlich eine qualitativ hochwertige Tele-Festbrennweite für das RF-Bajonett.
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Neues Prämium-Glas für das Canon RF-Bajonett
Im Vergleich zu anderen Bajonett-Systemen ist das Angebot für das Canon RF-Bajonett bisher noch etwas spärlich gesät. Natürlich lassen sich mit dem EOS R Adapter eine Vielzahl von EF- und EF-S Objektiven an den Vollformat-Systemkameras der R-Reihe nutzen aber das perfekt auf dieses Bajonett zugeschnittene Angebot an RF-Linsen wächst bisher nur langsam.
Vielleicht ist es daher kein Zufall, dass Canon dem Canon RF 85mm f/1.2L USM kurz nach der Markteinführung gleich eine zweite Variante, das Canon RF 85mm f/1.2L USM DS mit auf den Weg gegeben hat. Zweiteres ist in der Bauart identisch, bringt euch aber als zusätzliches Feature eine neue Technik namens Defocus Smoothing mit.
Die perfekte Portrait-Brennweite: 85 mm
Die wenigen RF-Objektive, die es bisher auf den Markt geschaft haben, bestechen größtenteils durch ein hohes Maß an Qualität und Funktionalität. Hier reiht sich das Canon RF 85mm f/1.2L USM nahtlos ein. Mit seiner neuen Festbrennweite liefert euch Canon nun das perfekte Portrait-Objektiv für eure EOS R Systemkamera.
Mit seiner leichten Tele-Brennweite von 85 mm im Vollformat eignet sich das Canon RF 85mm f/1.2L USM ideal für Beauty-Shootings mit Portraits und Halbfiguren. In diesem Brennweitenbereich wirkt der Hintergrund weniger gestaucht, als bei längeren Tele-Objektiven. Zudem ergibt sich kein zu großer Abstand zwischen Fotograf und Model, was die Kommunikation enorm erleichtert, während man trotzdem stets den Abstand zur Intimsphäre wahrt.
Dank der sehr großen Offenblende (f/1.2) lässt sich das Hauptmotiv mit dem Canon RF 85mm f/1.2L USM bei Bedarf auch auf engerem Raum noch gut von sehr nahen Hintergründen freistellen. Wenn der Platz es zulässt, solltet ihr aber auch mit diesem Objektiv immer leicht abblenden, um in den vollen Genuss der grandiosen Schärfe der Festbrennweite zu kommen.
Wer gern mit Unschärfe spielt, kommt mit dem Canon RF 85mm f/1.2L USM natürlich voll auf seine Kosten. Mit Offenblende lassen sich Portraits nicht nur mit extrem weichem Bokeh fotografieren. Ihr könnt auch tolle Bildeffekte mit der minimalen Tiefenschärfe zaubern, indem ihr beispielsweise auf scharfgezeichnete Schmuckdetails oder eine Träne eures Models fokussiert, während der Rest des Motivs in sanfte Unschärfe abgleitet.

Wuchtige Optik mit guter Verarbeitung
Das Canon RF 85mm f/1.2L USM ist wahrlich kein Leichtgewicht und bringt mit montierter Gegenlichtblende knapp 1,2 kg auf die Waage. Mit seinem großen Filterdurchmesser von 82 mm und einer Länge von fast 12 cm ist die Festbrennweite zusätzlich alles andere als kompakt bemessen. Montiert an einer EOS R mit gerade einmal 660 g Eigengewicht entsteht also mitunter eine gewisse Frontlastigkeit.
Trotz dieser massiven Bauweise setzt Canon beim RF 85mm f/1.2L USM auf Kunststoff, was bei einem Objektiv dieser Preisklasse zugegeben im ersten Eindruck etwas billig wirkt. An der Verarbeitung ist jedoch nichts auszusetzen. Alle Bauteile gehen bündig ineinander über, das Gehäuse hat eine angenehme Haptik und ist gegen äußere Einflüsse in Form von Staub und Spritzwasser geschützt.
Einziges Manko der Konstruktion: Setzt man die knapp 7 cm lange Gegenlichtblende zum Transport umgekehrt auf das Objektiv, so lassen sich die Bedienringe nicht mehr erreichen. Die Gegenlichtblende muss daher zwingend abgenommen werden, was für spontane Schnappschüsse mit dem Canon RF 85mm f/1.2L USM eher hinderlich ist.
Maximale Lichtstärke und herausragende Bildqualität
Die Abbildungsqualität von Festbrennweiten ist in der Regel außerordentlich gut und auch das Canon RF 85mm f/1.2L USM fällt hier nicht aus dem Rahmen. Mit einer Offenblende von f/1.2 bietet es euch eine enorme Lichtstärke zum Fotografieren in schwierigen Lichtsituationen. Gleichzeitig liefert euch dieses Objektiv mit seinen neun abgerundeten Blendenlamellen bei weit geöffneter Blende ein samtweiches Bokeh.
Canons hauseigene “Blue Spectrum Refractive Optics” Technologie (kurz: BR) sorgt dabei für perfekte Konturen und Details. Denn mit der im Canon RF 85mm f/1.2L USM verbauten BR-Linse wird die chromatische Aberration minimiert, welche besonders im Unschärfebereich ins Gewicht fällt. Die störenden Farbsäume werden mit dieser Technik verlässlich korrigiert.
Die Frontlinse des Canon RF 85mm f/1.2L USM verfügt zwar über ASC-Vergütung (Air Sphere Coating), trotzdem treten bei massivem Gegenlicht noch leichte Lens Flares auf. Die Kontrastwiedergabe bleibt jedoch auch bei viel Licht von vorn sehr gut und unterm Strich gibt es hier nichts an der Qualität auszusetzen.
In Labortests liefert das Canon RF 85mm f/1.2L USM mit seinen 13 asphärischen und Ultra-Low-Dispersion-Linsen in neun Linsengruppen dann auch wenig überraschend Top-Werte. Verzeichnung und Farbsäume sind nicht vorhanden, die Vignettierung bleibt minimal. Maximale Auflösungswerte in der Bildmitte erreicht das Objektiv leicht abgeblendet zwischen f/2 und f/2.8 mit gut 77 Linienpaaren pro mm.

Ausstattung und Bedienbarkeit des Canon RF 85mm f/1.2L USM
Wie bereits erwähnt, solltet ihr vor dem Fotografieren mit dem Objektiv dringend die Gegenlichtblende richtig montieren, da sonst Fokusring und Einstellring verdeckt sind. Mit Ersterem lässt sich mittels Fokuslupe und Fokus Peaking an einer EOS R Systemkamera auch problemlos per Hand manuell fokussieren.
Automatisch fokussiert das Canon RF 85mm f/1.2L USM mit Ultraschall-Motor (USM) ausgesprochen flott, obwohl die Bewegung der massigen Bauteile im Objektiv deutlich wahrnehmbar ist. Für noch mehr Geschwindigkeit lässt sich der Fokusbereich (Naheinstellgrenze 0,85 m) bei Bedarf mittels Schalter auf 1,5 Meter bis unendlich eingrenzen.
Wer beim Fokussieren ganz auf Nummer Sicher gehen möchte, aktiviert für Portraits die automatische Augen-Erkennung an der Kamera. Ansonsten rutscht euch der Fokus in bewegten Situationen bei Offenblende schnell mal versehentlich auf die Nasenspitze eures Modells, statt wirklich direkt auf dem Auge zu liegen.
Äußerst praktisch ist der bereits von anderen RF-Objektiven bekannte Einstellring. Dieser ist vor dem Fokusring platziert und lässt sich individuell mit Funktionen belegen. So könnt ihr je nach persönlicher Vorliebe oder Aufnahmesituation beispielsweise die Blende, ISO-Zahl oder Belichtungskorrektur schnell und flexibel über diesen Ring steuern.
Um auch bei widrigen Wetterbedingungen einsatzfähig zu bleiben, ist das Canon RF 85mm f/1.2L USM durch spezielle Dichtungen wirksam gegen Staub und Spritzwasser geschützt. Für eine leichtere Reinigung bei Verschmutzung sorgt eine Flour-Vergütung der Front- und Rücklinse.
Für ein noch sanfteres Bokeh: Defocus Smoothing (DS)
Neben der ursprünglichen Variante des Canon RF 85mm f/1.2L USM ist mittlerweile eine zweite Version namens Canon RF 85mm f/1.2L USM DS auf dem Markt erhältlich. Die zwei angehängten Buchstaben stehen für “Defocus Smoothing” und das ist auch schon der einzige Unterschied zwischen den ansonsten optisch und technisch absolut identischen Objektiven.
Defocus Smoothing steht in der Praxis für eine spezielle Vergütung von in diesem Fall tatsächlich lediglich zwei Linsenelementen. Mit dieser von Canon entwickelten speziellen Vergütungstechnologie lässt sich der Transmissionsgrad einer Linse gezielt beeinflussen, ohne aber die Bildqualität zu beeinträchtigen.
Jegliche unverständlichen physikalische Erklärungsversuche einfach mal außen vor gelassen: Canons DS-Vergütung sorgt für noch weicher und gleichmäßiger dargestellte unscharfe Bildpunkte. Und das sowohl im Hintergrund, als auch im Vordergrund eures Motives. Mit Defocus Smoothing erhaltet ihr also ein Bokeh in ziemlich einzigartigem Look.
Der Unterschied zwischen den beiden Objektiven lässt sich in Canons Direktvergleich (siehe Video) klar und deutlich erkennen. Gleichzeitig ist der Einfluss der DS-Vergütung auf das Bokeh eurer Fotos aber dermaßen massiv, dass hier schwer in gut und schlecht unterschieden werden kann. Wem der “klassische” oder der “smoothed” besser gefällt, bleibt am Ende eine reine Geschmacksfrage.
Zu erwähnen ist noch, dass die DS-Vergütung der beiden Linsen relativ viel Licht schluckt, auch wenn man das zuerst nicht erwarten mag. Bei Offenblende (f/1.2) entspricht die tatsächliche Lichtstärke des Canon RF 85mm f/1.2L USM DS eher einer Blende 2.2, die Aufnahmen sind also sichtbar dunkler als mit dem Canon RF 85mm f/1.2L USM. Tagsüber ist das verschmerzbar, in sehr dunklen Lichtsituationen kann es schon mal ins Gewicht fallen.
Meinungen und Tests zum Canon RF 85mm f/1.2L USM
In bisherigen Tests schneidet das Canon RF 85mm f/1.2L USM durch die Bank gut ab. Das Portal Testberichte.de attestiert der neuen Canon-Festbrennweite mit insgesamt neun gelisteten Tests die Gesamtnote “Sehr gut”. Sämtliche bisher zu findenden Laborergebnisse und Praxistests von Fotomagazinen schließen sich dieser Meinung über das Objektiv an.
Durchweg positiv sind bisher auch die Kundenbewertungen auf den üblichen Verkaufsportalen im Internet. Das Canon RF 85mm f/1.2L USM wird einhellig für seine herausragende Abbildungsleistung gelobt. Lediglich die extrem hohen Anschaffungskosten werden mitunter bemängelt. Den meisten Nutzern ist jedoch klar, dass solche Qualität auch ihren Preis hat.
“Alleine schon wenn man dieses Objektiv auspackt und in die Hand nimmt kommen einem die Freudentränen in die Augen.”
User Christoph · Rezension auf Calumet Photographic
Nicht ganz so einheitlich fällt die Meinung über die aktuelle Version aus. Beim Canon RF 85mm f/1.2L USM DS scheiden sich nicht nur die Geister, ob der erzielte Bokeh-Effekt wirklich den deutlichen Aufpreis von derzeit über 700 Euro zur ursprünglichen Version rechtfertigt. Auch der Effekt an sich und dessen Einfluss auf die Ästhetik des Bildes wird teilweise kritisch hinterfragt.
Laut der Meinung mancher Nutzer zerstört das “Defocus Smoothing” in seiner beim Canon RF 85mm f/1.2L USM eingesetzten Intensität gar den natürlichen Look eines Fotos und raubt vielen Aufnahmen ihr Charisma. Andere wiederum empfehlen diese spezielle Charakteristik des Objektivs für Portraits und Videoaufnahmen, um einen gewissen Hollywood-Charme zu generieren.
Zeit für ein Fazit: Die Entscheidung bleibt kompliziert.
Wer sich im Sektor der Portrait-Fotografie heimisch fühlt oder sogar professionell als Portrait-Fotograf arbeitet, wird mit dem Canon RF 85mm F1.2L USM definitiv seine helle Freude haben. Die enorm hohe Abbildungsqualität dieser Festbrennweite und der weite Spielraum mit der Tiefenschärfe setzen eurer Kreativität in diesem Anwendungsbereich kaum Grenzen.
Mit dem RF 85mm f/1.2L USM liefert euch Canon ein wirklich knackscharfes Objektiv mit extrem hoher Lichtstärke und toller Abbildungsleistung. Dank der extrem hohen Detailwiedergabe könnt ihr mit diesem Objektiv die Leistung des Bildsensors eurer Kamera wirklich voll ausnutzen. Gekrönt wird das Ganze durch das unverwechselbar weiche Bokeh beim Fotografieren mit Offenblende.
Natürlich bedeutet der Kauf einer Festbrennweite aber ebenso ein Stück weit den Verzicht auf Flexibilität gegenüber einem Zoom-Objektiv. Nutzt ihr das Canon RF 85mm F1.2L USM, so müsst ihr euch zwangsweise bewegen, um den Bildausschnitt zu verändern. Ebenso ist der Anwendungsbereich mit der Naheinstellgrenze von 0,85 Metern relativ eingeschränkt. Das Einsatzgebiet dieser Optik ist klar auf Portraits oder Halbkörper-Aufnahmen definiert.
Ihr solltet euch also im Vorfeld gut überlegen, ob das Canon RF 85mm F1.2L USM oder Festbrennweiten generell etwas für euch sind. Im Zweifelsfall testet das Objektiv vor der Anschaffung ausgiebig im Laden und entscheidet dann, ob dieses Objektiv die richtige Wahl für euch ist. Auch eine Leihe für ein paar Tage, beispielsweise über den Rent Service von Calumet, kann euch bei der Entscheidungsfindung helfen.
Bleibt noch die Frage, ob DS oder normale Ausführung. Mit “Defocuse Smoothing” bekommt ihr einen relativ krassen Effekt auf euer Bokeh. Das kann einerseits stilprägend sein und Wiedererkennungswert generieren. Andererseits lässt sich dieser Look nicht deaktivieren und wirkt für manch ästhetisches Empfinden einfach zu extrem. Für welche der beiden Varianten ihr euch am Ende entscheidet, sollte daher wohl überlegt sein.
Preise und Verfügbarkeit des Canon RF 85mm f/1.2L USM (DS)
Beide Varianten des Canon RF 85mm f/1.2L USM sind derzeit auf dem Markt erhältlich. In der normalen Ausführung bekommt ihr das Canon RF 85mm f/1.2L USM problemlos in so gut wie jedem Fotofachgeschäft und Onlineshop, bei der DS-Version ist das Angebot etwas begrenzter.
So führen einige etablierte Händler das Canon RF 85mm f/1.2L USM DS laut eigener Angabe lediglich in kleinen Stückzahlen. Bei manchen wird der Artikel im Onlineshop gar erst “exklusiv für Sie bestellt”. Canon scheint hier eine Art Limitierung anzustreben, indem man das Objektiv lediglich in kleiner Auflage produziert.
Das Canon RF 85mm F1.2L USM bekommt ihr in der normalen Ausführung bereits ab 2594,00 Euro UVP. In der veredelten Variante mit DS-Vergütung kostet euch die Optik aktuell stolze 3359,00 Euro als unverbindliche Preisempfehlung.
Objektiv | Canon RF 85mm f/1.2L USM (DF) |
Bildgröße | Vollformat |
Brennweite | 85 mm |
Offenblende | f1.2 |
Filterdurchmesser | 82 mm |
Anzahl Blendenlamellen | 9 |
Kleinste Blende | 16 |
mind. Fokussierabstand | 0,85 m |
Bildstabilisator | Nein |
AF-Motor | USM |
Abmessungen | 103,2 x 117,3 mm |
Gewicht | 1195 g |
Staub-/Spritzwasserschutz | Ja |
Zubehör | Objektivdeckel, Rückdeckel, Streulichtblende, Objektivtasche |
Vorteile
- 85 mm Festbrennweite
- Hohe Abbildungsleistung
- Hohe Schärfe
- Extrem hohe Lichtstärke (f/1.2)
- Kontrollring konfigurierbar
- Staub- und spritzwassergeschützt
- Extrem weiches Bokeh (DS-Variante)
Nachteile
- Sehr teuer
- Ziemlich schwer